AGSD hat vom Tages Anzeiger die Erlaubnis Artikel zu veröffentlichen, die im Zusammenhang mit Scientology stehen.

01.12.2020 | Tages Anzeiger | Patrice Siegrist

Zürcher Scientologen verlassen die Stadt

Organisation zieht um - Nach 20 Jahren in Zürich-Albisrieden verlegt Scientology ihren Sitz in die Agglomeration. Nicht ganz freiwillig.

Die Baugespanne haben den Wandel angekündigt, am vergangenen Wochenende wurde er von weissen Lieferwagen und Lastwagen vollzogen: Die Scientology- Kirche Zürich hat nach rund 20 Jahren ihren Sitz im Stadtquartier Albisrieden verlassen,
nachdem ihr dort gekündigt worden war. «Ab dem 30. November steht das Zentrum der Zürcher Scientology-Gemeinschaft neu in Volketswil», teilt Präsident
Jürg Stettler mit.

Die Scientologen wären eigentlich gern in der Stadt Zürich geblieben, wie Stettler Anfang Jahr zu dieser Zeitung sagte. Dennoch müssen sie nun in die Agglomeration ausweichen. «Da wir den Grossraum Zürich und die ganze Ostschweiz betreuen, hat die Lage Vor- und Nachteile», sagt er. «Es ist näher für alle Ostschweizer, weiter für Luzerner, aber insgesamt gut erreichbar, und man muss nicht mehr durch die ganze Stadt.» Insgesamt biete der neue Standort «repräsentativere, übersichtlichere und neuere Räumlichkeiten». Es sind insgesamt 2000 Quadratmeter auf zwei Stockwerken.

Der Volketswiler Gemeindepräsident Jean-Philippe Pinto (CVP) wusste bereits, dass Scientology in seine Gemeinde ziehen wird. «Wir wurden vorab kontaktiert, was wir durchaus begrüssten», sagt er auf Anfrage. Scientology habe dargelegt, was sie in der Gemeinde geplant hätten und was nicht. «Sie sicherten uns zu, in Volketswil keine Standaktionen durchzuführen.» Den Neuzuzug beurteilen will Pinto nicht. «Es gilt die Wirtschaftsfreiheit, und es ist das Recht von Scientology, hier ihren neuen Standort zu haben.»

Die Scientology-Kirche ist umstritten. Die Beratungsstelle Infosekta muss immer wieder Fragen zu Scientology beantworten. Im aktuellen Jahresbericht 2019 heisst es: «Die meisten Anfragen erhielt Infosekta zur Gemeinschaft der Zeugen Jehovas (14 Prozent), gefolgt von Anfragen zu Scientology (4), ICF (2) und zur Anastasia-Bewegung (2).»

Volketswil keine Endstation

Scientology missioniert offensiv. Das passt nicht allen: Im vergangenen Jahr etwa machten Aktivistinnen und Aktivisten in Winterthur Schlagzeilen. Mit «Achtung Scientology Sekte»-Plakaten warnten die Protestierenden unmittelbar neben einem Stand der Gemeinschaft. Scientology wertete diese Aktion damals als «diskriminierend», wie Tele Top schrieb.

Auch Eröffnungen von Scientology-Kirchen sorgten in der Vergangenheit für Proteste. In Basel etwa, wo Scientology 2015 einen Neubau bezog. Es handelt sich um ein Prestigeobjekt, eine Art Tempel auf einer Fläche von 4600 Quadratmetern. Der Einzug von Scientology löste Verunsicherung im Quartier aus.

Volketswil wird für die Zürcher Scientology wohl keine Endstation. «Es ist keine Lösung für immer», sagt Präsident Stettler, «längerfristig möchten wir ein eigenes Gebäude.» Im Kanton Zürich wurde Scientology vor 46 Jahren gegründet, laut Stettler zählt die Gemeinschaft inzwischen etwa 2000 Mitglieder.

Am Dienstag übergibt Scientology-Zürich das Gebäude an der Freilagerstrasse in Albisrieden definitiv an die Eigentümerschaft. Diese hat neue Pläne für das Areal: Es entstehen mehrheitlich 2,5-bis 3,5 Zimmer-Wohnungen und kleinteilige Gewerbeflächen sowie ein Gastrobetrieb. Die Erstvermietung soll laut Projekt-Website spätestens 2022 erfolgen.